Konzept

Die Termini implizites sprachliches Wissen und explizites sprachliches Wissen werden sowohl in der Erst- und Zweitspracherwerbsforschung als auch in der Klinischen Linguistik bzw. Psycholinguistik sowie in der sprachdidaktischen Forschung dazu verwendet, sprachliches Wissen (grob) in zwei unterschiedliche Formen zu unterscheiden: Mit implizitem Wissen wird auf sprachliches Wissen referiert, das sprachpraktischen bzw. primärsprachlichen Handlungen zugrunde liegt (Sprechen, Schreiben, Lesen, Hören); mit explizitem Wissen sind hingegen metasprachliche Fähigkeiten gemeint, also die Fähigkeiten, bewusst über Sprache zu sprechen bzw. zu reflektieren (vgl. u.a. Karmiloff-Smith 1986; Andresen & Funke 2006; Paradis 2009; Bredel 2013; Funke 2014, 2018; Lütke 2014; Pagonis 2014).

Eine damit einhergehende Unterscheidung betrifft mit dem Blick auf die Lehrbarkeit von implizitem bzw. explizitem sprachlichen Wissen die Formen der Sprachvermittlung, die analog zu den Wissensarten in implizite und explizite Instruktion unterschieden werden. Bei der impliziten Instruktion werden die zu lernenden sprachlichen Strukturen im Sprachunterricht im Rahmen kommunikativ bedeutungsvoller Kontexte präsentiert, ohne die Aufmerksamkeit der Lernenden auf sprachliche Formen, Regeln oder Systemzusammenhänge zu lenken, in der Annahme, dass diese unbewusst aus dem sprachlichen Input abstrahiert werden. Explizite Instruktion bezeichnet hingegen die (deduktive oder induktive) Vermittlung sprachlicher Formen oder Strukturen, bei der die sprachlichen Systemzusammenhänge zur bewussten Wahrnehmung explizit thematisiert werden (vgl. u.a. Hulstijn 2005; Stanat et al. 2012; Andringa & Rebuschat 2015; Frieg, Hilbert & Belke 2013; Hochstadt 2015; Godfroid 2016; Madlener 2016; Pfenninger & Lendl 2017; Kauschke & Rath 2017).

Ein Ziel der interdisziplinär konzipierten Tagung besteht darin, die unterschiedlichen theoretischen Modellierungen impliziten und expliziten sprachlichen Wissens bzw. impliziter und expliziter Instruktion der o.g., bei der Tagung vertretenen Forschungsrichtungen sowie deren Operationalisierungen im Rahmen empirischer Forschung zu diskutieren. Außerdem sollen bisherige in den unterschiedlichen Disziplinen zu Tage geförderte empirische Befunde zur Wirksamkeit impliziter und expliziter Instruktion disziplinübergreifend zu erörtert werden. Dadurch sollen anwendungsorientierte Erkenntnisse darüber generiert werden, welchen Prinzipien der Sprachunterricht für L1- bzw. L2-Lernende unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Lernvoraussetzungen folgen sollte, um sprachlichen Lernzuwachs zu erzielen.

Leitfragen

  1. Wie werden implizites und explizites sprachliches Lernen/Wissen in den unterschiedlichen Disziplinen modelliert?
  2. Welche Feindifferenzierung der sprachlichen Wissensarten gibt es über die dichotomische Unterscheidung ,implizites sprachliches Wissen‘ vs. ,explizites sprachliches Wissen‘ hinaus?
  3. Stehen implizite und explizite Lernprozesse und daraus resultierende Formen sprachlichen Wissens in einem Zusammenhang? Wenn ja, in welchem?
  4. Wie werden die unterschiedlichen sprachlichen Wissensarten in den unterschiedlichen Disziplinen im Rahmen von empirischer Forschung operationalisiert? Welcher Studiendesigns bedienen sich die unterschiedlichen Disziplinen, um implizites bzw. explizites sprachliches Wissen empirisch zu erfassen?
  5. Welche Evidenz haben die unterschiedlichen Disziplinen zu impliziten und expliziten Lernprozessen und/oder Vermittlungsmethoden hervorgebracht?
  6. Welche Spezifika müssen in Abhängigkeit von den Spracherwerbstypen L1- vs. L2-Erwerb / ungestörter/gestörter Erwerb berücksichtigt werden? Welche Vermittlungsmethode/n eignet/eignen sich warum für welchen Lernertyp?
  7. Welche Rolle spielt der allgemeine kognitive Entwicklungsstand bezogen auf die unterschiedlichen Vermittlungsmethoden / die Informationsverarbeitung sprachlicher Formen und Strukturen?